In der grünen Oase

Georgien – ein relativ kleines Land, aber doch groß genug, um sich wochenlang darin zu verlieren, sich treiben zu lassen, die Zeit zu vergessen, georgische Musik zu hören und über die unglaubliche Vielfalt der Natur zu staunen. Ich habe – um ehrlich zu sein – noch nie ein so grünes Land gesehen und erlebt! Aus allen Ecken sprießt und wächst das pralle Pflanzenleben, sei es im eher subtropischen georgischen Tiefland mit seinen üppigen Farnen, Palmen, Büschen und Obstbäumen oder im gebirgigen Teil des Landes, in dem saftig-grünes Gras die Berge wie ein Schleier überzieht und dichte Laub- sowie Nadelwälder das Landschaftsbild prägen und sich bis weit hinauf in den Kaukasus erstrecken.

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Die Menschen, die wir in Georgien trafen, waren sehr direkt, mitunter manchmal auch derb, aber ohne böse Absichten und stets hilfsbereit, herzlich, ursprünglich in ihrer Art und voller Ehrgefühl und Aufrichtigkeit. Dies konnten wir besonders spüren, als wir bei einer georgischen Familie auf dem Land zu Gast waren und gemeinsam mit einem Paar aus Russland an einem traditionellen georgischen Abendessen teilnahmen, bei dem nacheinander alle beteiligten Männer und Frauen das (Wein-) Glas erheben und bedeutungsvolle, tiefsinnige Worte sprechen, die von allen am Tisch ernst genommen werden. Trinkt der Herr oder die Dame des Hauses den Wein aus einem Horn, so sollten alle Anderen, die aufgefordert werden, einen Trinkspruch zum Besten zu geben, dies auch tun.

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Wir trafen auch wirklich viele Georgier, die sehr freundlich waren und uns beim Trampen in ihren Autos ein Stück mitgenommen haben. Viele hielten sogar an, ohne dass wir zuvor angezeigt haben, dass wir trampen!

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Die Gastfreundschaft und der Respekt, der den Gästen des Landes entgegengebracht wird, ist unbeschreiblich.

Einmal fragten wir in einem Gasthaus nach, wieviel wir für unser weniges Geld zu essen bekommen. Die Frauen im Gasthaus verstanden nicht genau, was wir wollten, aber das war ihnen auch gar nicht wichtig! Die Frauen zögerten nicht und schenkten uns genug Lebensmittel, um davon ein leckeres Abendessen zubereiten zu können.

Diese Aufmerksamkeit und Zuwendung wird den Tieren aber leider nicht zuteil. Wir konnten beobachten, dass insbesondere Straßenhunde vielerorts arg vernachlässigt oder schlecht behandelt werden, sich ängstlich zusammenkrümmten, wenn wir uns ihnen näherten und einfaches, trockenes Brot mit hastiger Gier verschlangen, als hätten sie eine Woche lang nichts Essbares bekommen. Wir hoffen, dass sich die Situation der Straßenhunde in diesem ansonsten wunderschönen Land bald verbessern wird und sie genauso geachtet werden, wie die zahllosen Kühe, die überall auf den Landstraßen frei herumlaufen oder -stehen und von den Autos umfahren werden (it’s like India!).

A propos „Auto fahren“: Das wohl einzige Gefährliche in Georgien ist der Straßenverkehr! Aufgrund der geringen Verkehrsdichte in großen Teilen des Landes (und noch aus anderen Gründen), wird äußerst wild, schnell und riskant gefahren. So manches Mal bekam ich Gänsehaut und Herzklopfen, wenn der Fahrer des Autos, in dem wir getrampt sind in der Kurve beschleunigte oder der Fahrer der Maschrutka-Minibusse trotz Gegenverkehrs zu einem riskanten Überholmanöver ansetzte.

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Einmal konnten wir beobachten, wie ein Taxi mit hoher Geschwindigkeit ein parkendes Auto streifte und einen Sachschaden verursachte; ein anderes Mal fuhren wir auf der Autobahn an einem brennenden Auto vorbei.

Unsere Zeit in Georgien haben wir überwiegend dazu genutzt, uns in der Natur

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aufzuhalten. Wir sind im Schwarzen Meer geschwommen, haben unser Zelt in einem Garten oder wild an einem Fluss aufgeschlagen, haben uns in Martvilli in einem versteckten Canyon in eiskaltem Gebirgswasser gebadet

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und sind für ein paar Tage in das Bergdorf Uschguli in den Kaukasus geflüchtet, um dort wandern zu gehen und die Ruhe zu genießen. Die Fahrt dorthin war ziemlich aufregend! Ist Uschguli aufgrund seiner abgeschiedenen Lage doch nur über eine staubige und bei Regen schlammige Sand- und Schotterpiste zu erreichen, die sich an Berghängen entlangwindet. Wir kamen spät in Mestia an und hatten Glück, dass wir noch jemanden fanden, der uns in seinem allradbetriebenen Jeep den zweistündigen Pfad nach Uschguli mitnahm. Kurz bevor wir am Ziel waren wurde es dunkel und begann recht stark zu regnen, so dass der Weg vor uns immer schlammiger wurde. Letztendlich kamen wir aber wohlbehalten an und fanden erstmal in einem Gasthaus Unterschlupf.

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In Uschguli waren wir zu Gast bei Bezo und Meggi, die drei Töchter haben, von denen zwei schon fast erwachsen sind und bei der Arbeit im Dorf mithelfen und eine damit beschäftigt ist, spielerisch die Welt zu erkunden und mit vorbeikommenden Gästen wie uns liebevoll, aber schüchtern anzubändeln. Familiär ging es dort zu und eine außergewöhnliche Einfachheit in der Lebensweise der Menschen war zu spüren, ebenso das Selbstbewusstsein der Menschen auf dem Land. Vieles wird als selbstverständlich einfach hingenommen, seien es Unwetter, Stromausfälle oder Reifenpannen. Alle scheinen irgendwie ihren Platz zu haben in ihrer Welt zwischen den Wäldern und Bergen und schon die kleinen Jungs sitzen fest im Sattel der Pferde und reiten frech an einem vorbei.

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Zu kurz war unsere Zeit bei der Familie im Bergdorf, zu kurz unsere Zeit in Tbilisi mit seinen vielen Kirchen und Klöstern, von denen eine spirituelle Aura ausging zu kurz, um Wein und Musik wirklich genießen zu können … zu kurz für mich, um mit den Bergen, Wäldern und Flüssen eins zu werden …

… aber das macht nichts! Bietet doch alles noch sehnsüchtig Verlangte und Erwartete einen willkommenen Anlass, um möglichst bald nach Georgien zurückzukehren!

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Der Einsame vom Berge

Eine Geschichte möchte ich aber noch erzählen, die mir besonders positiv in Erinnerung bleiben wird! Wir befanden uns auf einen Ausflug zum Dawid Garedji – Höhlenkloster, dass sich in den Bergen an der aserbaidjanischen Grenze in einer wüstenähnlichen Gegend befindet und das älteste Kloster Georgiens sein soll. Aus der Sicht eines zielorientierten Touristen mit engem Zeitfenster würde man diesen Trip wohl als gescheitert betrachten, denn wir brachen zu spät auf, trampten zuerst in eine schwer zugängliche Gegend, warteten recht lange auf Mitfahrgelegenheiten und hatten an der eigentlichen Klosteranlage nur wenig Zeit, weil die Sonne bald unterging.

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Für uns jedoch war dies ein besonderer Tag, denn wieder einmal ließ Gott uns Menschen begegnen, die uns halfen und schenkte uns darüber hinaus einen kleinen Einblick in die Lebenswelten unserer jeweiligen Fahrer! Wir sprachen an diesem Tag erstmals mit Georgiern ernsthaft über ihre persönlichen Probleme in den Bereichen Familie und Arbeit und selbst wenn wir uns mit unserem Fahrer nicht wirklich unterhalten konnten, spürte man ihnen ab, dass ihnen die Arbeitslosigkeit zu schaffen macht und sie sich von den Verantwortlichen im Land vernachlässigt fühlen.

Wir fuhren also in die Stadt Rustawi (südlich von Tbilisi), die wie ein riesiger Komplex aus sowjetischen Plattenbauten vergangener Zeit wirkte und begannen zu trampen … einen Weg entlang, an dem uns wahrscheinlich niemand mitgenommen hätte. Ein junger Mann hielt jedoch an und fragte, wohin wir unterwegs seien. Nachdem wir ihm unser Vorhaben erzählt hatten, meinte er, dass dies die völlig falsche Richtung zum Kloster Dawid Garedji sei und brachte uns zum Busbahnhof, von wo aus wir einen Minibus nach Sagaredjo nehmen konnten … aber nicht nur das: Er kaufte uns heimlich Bustickets und fuhr uns noch zu einem Café um die Ecke, wo er uns zu einem Tee einlud! Dieser so freundliche und bescheidene Mann, der uns mit trauriger Stimme erzählte, dass er in Rustawi keine Perspektiven hat, der diesen Ort am liebsten sofort verlassen würde und weder Freunde, noch Familie in nächster Nähe zu haben schien und der von sich selbst behauptete, kein guter Mensch zu sein … dieser Mann schenkte uns ein Höchstmaß an respektvoller sowie höflicher Gastfreundschaft, seine Wertschätzung und volle Aufmerksamkeit bis zur Abfahrt des Minibusses, für den er uns Tickets besorgt hatte! Er ist Jurastudent, kämpft sich durch’s Leben und möchte eines Tages an der Humboldt-Universität in Berlin sein Jura-Studium beenden. Ich hoffe, dass wir ihm unsere Hilfe und Gastfreundschaft zuteil werden lassen können, wenn es so weit ist!

Von Sagaredjo aus durften wir auf dem (leider leeren) Heuwagen eines jungen Landwirtes aus dem Dorf Udabno mitfahren und von dort brachte uns dann circa 2,5 Stunden später ein älterer Mann auf der staubigen und steinigen Schotterpiste entlang bis zum Kloster Dawid Garedji, dass sich in wüsten- und steppenartiger Landschaft befindet und auf einem Felsen trohnt. Die heute noch im Kloster arbeitenden/dienenden Mönche wohnen direkt nebenan in Felsenhöhlen, die mit einfachen Holztüren verschließbar sind. Als wir die meditative Stille dieses Ortes genießen durften, war nur einer der Mönche bzw. Priester zugegen. Er war ganz versunken darin, von Reliquie zu Reliquie zu schreiten, diese mit Weihrauch zu weihen und beim Verlassen der Felsenhöhlenkirche vollkommen eins mit sich, der Welt und Gott Gebete zu singen.

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Unser netter Fahrer brachte uns auch wieder zurück nach Sagaredjo (von wo aus wir eine Marschrutka nach Tbilisi nehmen konnten) und war ziemlich gesprächig. Meine Russisch-Kenntnisse sind zwar mehr schlecht, als recht, aber glücklicherweise verstehe ich so Einiges. So fand ich heraus, dass der arme Mann eine Familie zu ernähren hat, er aber keine Arbeit findet und deshalb den ganzen Tag mit einem schrottigen Auto als Taxifahrer verdingt. Seine beiden erwachsenen Töchter scheinen auch leider keine Arbeit zu finden.

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6 Kommentare zu „In der grünen Oase

  1. Hallo! Wir wollten und auch sehr herzlich für das Schreiben der Berichte bedanken. Manchmal, wenn einem der Alltag wieder zu monoton erscheint, öffnen wir euren Blog und wenn es wieder einen neuen Bericht zu lesen gibt, freuen wir uns sehr, Eindrücke von uns fremden Teilen der Welt gewinnen zu können 🙂 Wir wünschen euch weiterhin eine tolle Reise!

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    1. Hi Priya und Rasmus,
      vielen Dank für eure Nachricht und eure guten Wünsche! Wir haben uns sehr gefreut, von euch zu hören :)! Wir hoffen, dass wir noch viele tolle, spannende Geschichten erzählen können ;)! Alles Gute und bis bald!

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  2. Hallo ihr Beiden,
    es ist sehr schön, wenn auch nur auf diesem Wege , euch bei eurer Reise begleiten zu können und eure Erlebnisse und Erfahrungen zu lesen. Vielen Dank dafür. Ich wünsche euch weiterhin eine erlebnisreiche und gute Reise
    Andreas (WG)

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  3. Moin Ihr beiden Weltenbummler, Danke für die schönen Bilder und interessanten Bilder. Mich freut es, dass Ihr auf so viele nette und hilfreiche Menschen trefft. Es ist beschämend was gerade bei uns in Deutschland abgeht. Wir sind ein reiches Land und Gastfreundlickeit ist ein Fremdwort.
    Ich wünsche Euch noch viele gute Begenungen und freue mich auf Euren nächsten Bericht. Nur eine kleine Frage am Rand, die schneebedecken Berge, ist das das Erbosgebirge?
    Viele Grüße Uwe

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    1. Hallo Uwe,
      Es freut mich, dass du Gefallen an unseren Blog findest :)! Ja, du hast Recht: Die Gastfreundschaft in all den Ländern, in denen wir bisher waren, ist unvergleichlich und unbegreiflich groß!

      Die Berge gehören zum Kaukasus im Norden Georgiens. Es war wunderschön dort :)!

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